Das gespannte Schweigen im Saal wich heftigem Applaus, als Zeitzeuge und Holocaust-Opfer Stefan Büchler die Schilderung seines Leidens und Überlebens im Konzentrationslager Auschwitz – zum Ende den Tränen nahe – mit seinem Lebensmotto „ Die Vergangenheit nicht vergessen, die Gegenwart leben und an die Zukunft glauben“ schloss.
Der heute Neunundsiebzigjährige las am vergangenen Mittwochabend vor 200 Schülern, Lehrern und Eltern des Wilstorfer Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums aus dem Buch „Weitergelebt“, ebenso seine Frau Gerda Büchler sowie die Zeitzeuginnen Batsheva Dagan und Roma Ben-Atar. Nach den Lesungen wurde den Zuschauern ermöglicht, in einer Gesprächsrunde individuelle Fragen an die Zeitzeugen zu stellen. Die Schüler waren tief beeindruckt von den Schicksalen der Überlebenden und deren Bereitschaft, das Erlebte nun mit jungen Menschen zu teilen. Man war sich einig: Zeitzeugen sind die spannendste, beeindruckendste und authentischste Art und Weise, sich mit der Vergangenheit und speziell der Zeit der NS-Diktatur auseinanderzusetzen. „Es hat mich sehr berührt, ich hätte den Zeitzeugen gern noch länger zugehört“, so Oberstufenschülerin Benita.
Dieser Leseabend wurde überhaupt erst möglich durch die jahrelange und intensive Zusammenarbeit zwischen dem Alexander-von Humboldt-Gymnasium und dem Verein „Yad Ruth“, der die in Israel lebenden Zeitzeugen erneut nach Hamburg einlud. Nach Besuchen von Holocaust-Überlebenden an der Schule im Jahr 2005 machte es sich eine Schülerfirma zur Aufgabe, die Geschichten der Zeitzeugen zu sammeln, zu redigieren und zu verlegen. Ergebnis dieser Arbeit ist das 2007 erschienene Buch „Weitergelebt – 7 jüdische Schicksale im II. Weltkrieg“, aus welchem vier der Autoren während der Veranstaltung im Rieckhof lasen.
Die Gewinne aus dem Vertrieb des Sammelbandes werden restlos an den „Yad Ruth“ – Verein gespendet. So konnten die Moderatoren des Leseabends, die Abiturienten Sebastian und Florian, einen Scheck über 1.000 Euro an die Vereinsvorsitzende Gabriele Hannemann überreichen. Ziel der Schüler ist es, so weitere Zeitzeugenlesungen an Schulen zu ermöglichen. Nicht nur aufgeklärt werden sollen die Schüler, sie sollen auch die Gräuel des Holocaust im vollen Maße erfassen und verstehen, um eine Rückkehr des Nationalsozialismus in Deutschland um jeden Preis zu verhindern.
Sowohl Gabriele Hannemann als auch die Zeitzeugen zeigten sich von dem Interesse und dem Engagement der Schüler beeindruckt. „Seid gesegnet“ waren die Worte von Batsheva Dagan. Dieser Segen ist für jene gedacht, die nicht verdrängen und vergessen, das Ziel der Zeitzeugen lautet Nachhaltigkeit. Und dass die Schüler des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums die Worte der Zeitzeugen nicht einfach vergessen, sondern sich davon motivieren und inspirieren lassen, das zeigt nicht nur das Buchprojekt oder vergangene Projekte wie das „Bertini-Preis“ ausgezeichnete Theaterstück „Hitlerjunge Salomon“, das zeigen auch die nachdenklichen Gesichter der jungen Menschen, die an diesem Abend den Rieckhof verließen.
© 2008 Philip (S3)