25.04.12 - Der Mond ist schuld - vielleicht

Der Mond ist schuld – vielleicht

Die Aufführung des Theater-Kurses von Frau Blaschek (S2)

„Der Mond ist schuld – vielleicht“: nach aktuellen Erkenntnissen soll vor 100 Jahren die besondere Konstellation zwischen Erde, Sonne und Mond die Gezeitenkraft maximiert und so zum Untergang der Titanic geführt haben. (http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/titanic-untergang-der-mond-ist-schuld-vielleicht-11716633.html). Das Passagierschiff Titanic kollidierte auf seiner ersten Fahrt am 14. April 1912 gegen 23:40 Uhr mit einem Eisberg und versank zwei Stunden und 40 Minuten nach dem Zusammenstoß im Atlantik. Obwohl für die Evakuierung mehr als zwei Stunden zur Verfügung standen, starben ca. 1500 der über 2200 an Bord befindlichen Personen. Seitdem rissen die Nachforschungen zu den Ursachen nicht ab.

Kann man die Schuldfrage beantworten, wenn man nur die Spitze des Eisberges sieht? Muss man in das Verborgene, in die Tiefe blicken, um Schuld zu erkennen? Ist die Antwort am Himmel zu finden? Gibt es eine endgültige Antwort auf die Frage nach der Schuld? Wann wird jemand schuldig?

Am 25. April 2012 hieß das Theater-Ensemble seine Passagiere herzlich willkommen an Bord, um sie auf eine Expedition zum Mond, seiner Schuld und wieder zurück, mitzunehmen.

Gleich beim Einchecken wurden die Gäste „SCHULDIG“ gestempelt, mussten sich in einem Labyrinth von Zitaten zum Thema entscheiden, als Tatverdächtige ihre Fingerabdrücke hinterlassen und bewusst in einen Luftballon ausatmen. Ist man unschuldig, wenn man „nur atmet“?

An Deck stellte sich die Crew vor: Julia, Lars, Karina, Nasia Noori, Luisa, Janine, Kimberley, Mikosch, Britt, Emanuel, Valerie, Chi, Tanja, Hossna, Shahab und Frau Blaschek.

Im Laufe der vorangegangenen Proben hatten sie immer neue Fragen entdeckt und immer weniger Antworten.

Wie das fließende Wasser änderte „die Schuld“ stetig ihre Form. Mal war sie glasklar, mal sonderbar trüb. In einem Moment war sie sehr seicht, im anderen riss sie unergründliche Tiefen auf. Bilder über Bilder sprudelten in den Theaterraum. So sprühte eine Akteurin mit einer Farbspraydose „SCHULD“ in die Luft, deutlich mit den Ohren wahrnehmbar, riechbar, unsichtbar und doch ablesbar. Schuld ist da, immer, in jedem Raum. Die Crew versenkte sich in starken Bildern hinter den Masken und Händen von anderen, in Erfahrungsberichten, in Gerichtsprotokollen. Die Crew scheute sich nicht, ihre individuellen Schuldbekenntnisse zu alltäglichen Vorfällen abzulegen und die Passagiere daran teilhaben zulassen.

Schuld ist auch eine Frage der Freiheit, der Einwirkungen von außen. Welche Chance haben die Puppen des Marionettenspielers sich für die Unschuld zu entscheiden? Gibt es die Unschuld nur beim Aufenthalt innerhalb der durch das rot-weiße Absperrband gesetzten Grenzen?

1912 spielte die Band auf der Titanic bis in den Untergang hinein. Wir sitzen alle im selben Boot. Was tun die schwankenden Marionetten auf dem schwankenden Schiff, vernetzt mit den Fäden der Spieler? Werden die Hände der sich ausdauernd waschenden Akteure im faszinierenden Plätscher-Sound-Orchester wieder weiß? Jeder wünscht es sich. Kaum, dass die unsichtbaren Flecken den Anschein erwecken zu verblassen, verwickelt sich die Unschuld in den Windungen des endlos wirkenden Absperrbandes, wälzt sich in Erde, ihre Haut schürft sich an den Sandkörnern auf, neue Narben entstehen – Die Unschuld fällt metaphorisch zu Boden.

Der Mond ist schuld – vielleicht.

© 2012 Chi/S2